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Vernetzung – eine Überlebensstrategie

Vernetzung – eine Überlebensstrategie

FIFTITU%, die Vernetzungsstelle für Frauen in Kunst und Kultur in
Oberösterreich, besteht seit mittlerweile 10 Jahren. Wozu eine
Vernetzungsstelle für Frauen und welche Komponenten der Vernetzung
braucht es, bleiben immer wieder neu zu beantwortende Fragen.

Networking – eine Überlebenstechnik titelte im April 2008 die Süddeutsche Zeitung¹ einen Artikel im Ressort Job&Karriere. Netzwerken als eine jener Strategien am sogenannten Arbeitsmarkt, die immer wichtiger und unverzichtbarer geworden ist und beim Überleben im Joballtag helfen sollen: Persönliche Beziehungen, Seilschaften, die helfen, dich nach „oben zu ziehen“, dich aber auch in schwierigen Situationen auffangen, tragen und unterstützen. Vor zehn Jahren haben sich engagierte Frauen in der KUPF (Kulturplattform Oberösterreich) auch den Kopf darüber zerbrochen, wie denn das im Kulturbereich und für Frauen aussehen könnte – damals, 1998, als Frauen rar waren in Führungspositionen (sie sind es heute noch, aber es bessert sich, bessert sich...). Damals, als FIFTITU% gegründet wurde und die Agenden der Vernetzungsstelle für Frauen in Kunst und Kultur für Oberösterreich übernommen hat.

Der Begriff Netzwerk ist grob gesagt eine Bezeichnung für alle jene Menschen, die uns unterstützen, auf die wir uns verlassen können. Netzwerken bedeutet in diesem Sinn nicht durch Beziehungen Konkurrent_innen auszustechen, auszuhebeln, sondern (Erfahrungs-)Austausch, Diskussion, Information, Solidarität und Spass - auch bei unterschiedlicher persönlicher, ethnisierter, klassisierter, sexuell orientierter, nationaler, regionaler,... Positioniertheit. Sich zu vernetzen heißt Ressourcen zu teilen, geeignete (Macht-)Strukturen und Kommunikationswege aufzubauen, die uns (politisch) handlungsfähig und zu Gestaltenden und Mit-Verantwortlichen in unserem realen Alltag machen. Deshalb stellt geförderte Vernetzung auch einen wesentlichen Punkt der „Gemeinsame(n) Forderungen kulturschaffender Frauen in Österreich“ von 16. Oktober 2006 dar: „Vernetzungsaktivitäten kulturschaffender Frauen sind von der öffentlichen Hand offensiv zu fördern. Die Schaffung von Netzwerken ist notwendig, um eine Symmetrie der Geschlechter Wirklichkeit werden zu lassen. Vernetzung verleiht der kulturpolitischen Arbeit von Frauen das nötige Gewicht, ermöglicht Ermächtigung und Austausch. Es bedarf einer starken bundesweiten Interessenvertretung der kunst- und kulturschaffenden Frauen, die öffentlich finanziert werden muss.“² Mit den bundesweiten Vernetzungstreffen von Frauen in Kunst und Kultur in Österreich wurde eine Basis für ein österreichweites Netzwerk geschaffen, mit dem Ziel, des gegenseitigen Austausches und gemeinsamen Agieren. Dieses Netzwerk gilt es aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln.

Die von FIFTITU% und Linzer Kulturaktivist_innen erkämpfte Vernetzungsstelle für Frauen in Kunst und Kultur in OÖ versucht einen Ort zu schaffen, der oben genanntes ermöglicht. Dabei überlagern und verknoten sich an diesem Ort für FIFTITU% selbst Vernetzung, Service- und Informationsarbeit, kulturpolitische Arbeit, künstlerische Arbeit, Weiterbildungsangebote, Öffentlichkeitsarbeit, Archiv, uvm.
Vernetzungsstelle für Frauen in Kunst und Kultur zu sein bedeutet in Anlehnung an die Machbarkeitsstudie platz nehmen! von Andrea Mayer-Edoloeyi, die die erwähnte Neuorientierung 2001 eingeleitet hat:

  • Parteilichkeit für Frauen mit dem Ziel einer Symmetrie der Geschlechter. Frauen gedacht in allen Facetten, Formaten und Formen im Sinne queerer und antirassistischer Strategien, weil a) nicht alle Frauen gleich sind und b) sich die Bilder und Inhalte dessen, was als Frau (Mann) verstanden werden kann, verändern. Das ist auch gut so, und an dem muss FIFTITU% auch weiterfragen, -denken und -arbeiten. Nicht nur FIFTITU%.
  • ein offenes, demokratisches Kunst- und Kulturverständnis mit Raum für Experimente, das die Gestaltung von eigenen Lebenswelten in den Mittelpunkt der Auseinandersetzungen rückt. Deshalb, weil das kulturelle Feld immer schon Experimentier- und Projektionsfeld für allgemein gesellschaftliche Entwicklungen war und ist.
  • regionale und lokale Besonderheiten werden als Chance einer diskursiven Weiterentwicklung begriffen. Bei mir zu Hause – ich komme aus der tiefsten Weststeiermark – wird es anders sein, so etwas wie die „Freakshow“ des Forum Interkulturalität³ zu inszenieren als hier in Linz im Rothen Krebsen. Dort müsste erst einmal ein Rother Krebs hin... besser noch eine Vernetzungsstelle mit genannten und folgenden Ansprüchen und Zielen.
  • die entschiedene Ablehnung von Rechtsextremismus, Rassismen, Hetero-/Sexismen, Nationalismen und autoritären Tendenzen. Es handelt sich um Ausschlussmechanismen, vor denen das kulturelle Feld nicht gefeit ist, denn allgemeine gesellschaftliche Entwicklungen wirken in diesem Feld genauso. Durch den Vorbild- und Projektionscharakter den der Begriff „Kultur“ aufweist, können diese noch verstärkt aber auch verändert werden. Oft sind diese Ausschlussmechanismen nicht leicht zu identifizieren und wir sind angewiesen auf immer wiederkehrende Reflexion und Diskussion, auf die FIFTITU% sich einlassen muss. Lassen wir die Kritiker_innen FIFTITU% assimilieren.
  • Ermöglichung der aktiven Partizipation aller Betroffenen in allen Arbeitsbereichen der Vernetzungsstelle. Die Voraussetzungen sind nicht gleich für alle, das müssen wir bedenken, wenn wir alle Involvierten profitieren und partizipieren lassen wollen.

Das alles versucht FIFTITU% zu leisten, zu bedenken und umzusetzen. Als Informations-, Beratungs-, und Unterstützungsstelle erstellt FIFTITU% den umfassenden monatlichen Newsletter gespickt mit Ausschreibungen und Preisen, Veranstaltungen, Jobs, und vielen anderen Möglichkeiten zum Mit-Machen und Teil-Nehmen. In Beratungsgesprächen werden persönliche Anliegen zu kulturpolitischen und künstlerischen Projekten besprochen, spezifische Informationen weitergegeben, Unterstützung und Kontakte gegeben. Die umfassende Datenbank wird immer wieder bei Recherchen abgefragt und angefragt. Frauen werden gesucht und gefunden.

Was wollen Frauen? Was hilft Frauen? Was sind Frauen?
Themen, die immer wieder an FIFTITU% herangetragen werden, die bei der Arbeit aus FIFTITU% heraus entstehen und in öffentlichen Veranstaltungen (Tagungen, Workshops, künstlerischen Interventionen, Diskussionen, Filmabenden, etc.) behandelt und bearbeitet werden, sie spiegeln die Grundsätze und Auseinandersetzungen in, mit und um FIFTITU% wider.

Was sind Frauen – auch das mittlerweile eines der Themen, die FIFTITU% zu fragen und denken gelernt hat, wer ist Frau und wer wird durch diesen Begriff ausgeschlossen, wie sieht es in Bezug auf Trans*Inter*Queer, auf antirassistische Politiken aus? Verqueerungen vorantreiben um der Eindeutigkeit keinen Platz zu lassen, weil Eindeutigkeit Hegemonie produziert! Vielleicht heißt die Vernetzungsstelle ja eines Tages FIFTITU% - queer*feministische Vernetzungsstelle in Kunst und Kultur, in der sich alle, jenseits von Identitätspolitiken, ein- und zusammenfinden, die hetero-/ sexistische, heteronormative, rassistische, klassistische,... De-/Privilegierungsachsen verschieben und egalitäre gesellschaftliche Strukturen in Kunst und Kultur und darüber hinaus erkämpfen wollen? Wir werden sehen in welche Richtung sich FIFTITU% weiterentwickeln wird und bis dahin: FIFTITU% - Vernetzungsstelle für Frauen in Kunst und Kultur in OÖ, die Orte der Begegnung, der Unterstützung, des Miteinander, der Diskussion, Partizipation und Reflexion schafft und fordert und das eigentlich auch jetzt schon nicht nur für Frauen! Vorbeikommen, reinschauen, teilnehmen!

Dieser Text basiert auf dem Text „Vernetzung – eine Überlebensstrategie“ von Roswitha Kröll in der Publikation „Zehn Jahre FIFTITU%“ herausgegeben von FIFTITU% und wurde von Sabrina Kern, Iris Aue, Gerlinde Schmierer und Roswitha Kröll überarbeitet.

¹Vgl. http://www.sueddeutsche.de/jobkarriere/artikel/618/167138/print [13.5.2009]
² http://www.frauenkultur.at [13.5.2009]
³ PERVERS & KWIR/R UND HYBRIDE KÖRPER sind zwei Projekte, die vom Kupf-Innovationstopf 07 juriert und vom Land Oberösterreich finanziert werden. Für den Abschluss der beiden Projekte haben sie sich zusammengeschlossen für die fulminante FREAK SHOW, die am 19.6. in Linz im Rothen Krebs stattfinden wird.http://www.queeropedia.com [13.5.2009]
⁴ Vgl. Andrea Mayer-Edoloeyi: platz nehmen! - Studie Vernetzungsstelle für Frauen in Kunst und Kultur, FIFTITU%, Linz, 2001, S.41

FIFTITU% - Vernetzungsstelle für Frauen in Kunst und Kultur in OÖ
Harrachstrasse 28,
A-4020 Linz

Öffnungszeiten:
Montag bis Donnerstag:
10.00 - 13.30 Uhr
sowie zusätzlich
Donnerstag Nachmittag:
15.00 - 18.30 Uhr

fiftitu@servus.at
http://www.fiftitu.at
http://www.frauenkultur.at