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FIFTITU% frauen.fordern.kultur

FIFTITU% frauen.fordern.kultur

Linz, Jänner 2004

FIFTITU% präsentierte 2004 den neu überarbeiteten Forderungskatalog "frauen.fordern.kultur".

In diesem kulturpolitischen Forderungspaket gerichtet ans Land Oberösterreich werden die dringend notwendigen Maßnahmen zusammengefasst, die für eine Symmetrie der Geschlechter im Kunst- und Kulturbereich notwendig sind.

Wie bei der Besetzung der künstlerischen Leitung des Lentos müssen nun vielen Worten im Sinne der Frauen endlich Taten folgen – es braucht dringend ein Maßnahmenpaket, um auch strukturell dem Umfang und der Qualität des weiblichen Kulturschaffens in Oberösterreich gerecht zu werden.

Die wichtigsten Schwerpunkte dieses 4-seitigen Forderungskatalogs:

Geschlechterparität
Trotz der Implementierung von Gender Mainstreaming kann noch immer nicht auf allen Ebenen von einer Parität der Geschlechter gesprochen werden. FIFTITU% fordert die paritätische Besetzung von Jurys und Beiräten und dem Landeskulturbeirat. Für Talentförderungen und Stipendien ist die Altesbeschränkung abzuschaffen.
In der gesamten Landeskulturverwaltung und in den ausgegliederten Kultureinrichtungen ist durch gezielte Maßnahmen bei Neueinstellungen und bei Umstrukturierungen eine Erhöhung des Frauenanteils besonders in Führungspositioneen zu schaffen.

Programmgestaltung und Förderpolitik
Als erste Maßnahme ist von AntragstellerInnen bzw. landeseigenen Kultureinrichtungen bei der Konzeption von Projekten und Aktivitäten eine Auseinandersetzung mit Gender-Fragen einzufordern. Sowohl bei der Antragsstellung als auch der Abrechnung muss Geschlechterparität Thema sein. Diese Primärerfassung gender-sensibler Daten ist auch notwendig, um eine geschlechtsgerechte Statistik in einem wieder einzuführenden Landeskulturbericht erstellen zu können. Mittelfristig ist in allen Kultureinrichtungen gender-sensibles Projektmanagement zu etablieren, wobei das Land mit der Ausrichtung etablierter kultureller Großereignisse (Landesausstellungen, Ars Electronica, Festival der Regionen, ...) zu Frauenschwerpunkten ein weithin sichbares Zeichen setzen soll.

Vernetzung
Die Vernetzungsstelle für Frauen in Kunst und Kultur FIFTITU% ist längerfristig finanziell abzusichern.

Gesamter Text:
frauen.kultur.forderungen

"Feminismus ist Politik; eine Politik, die auf die Veränderung der realen gesellschaftlichen Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen abzielt. Diese Machtverhältnisse bestimmen sämtliche Lebensbereiche: Familie, Erziehung, Fürsorge, die Welt der Arbeit und der Politik, Kultur und Freizeit. Sie legen fest, wer was für wen tut, was wir sind und was wir werden können".
(Chris Weedon, Wissen und Erfahrung)

Der Abbau der unterschiedlichen Machtverhältnisse zwischen Frauen und Männern führt zu Geschlechterdemokratie, der Herstellung demokratischer Verhältnisse zwischen den Geschlechtern. Damit sind nicht allein die politischen Partizipationschancen anvisiert, sondern auch die gesellschaftliche Ressourcenverteilung zwischen Männern und Frauen. Geschlechterdemokratie impliziert notwendigerweise eine Veränderung der bestehenden Machtverhältnisse, auch in demokratischen Systemen. In der Ablehnung einer Herrschaft über andere geht es bei der gleichen Partizipation von Frauen und Männern um einen veränderten, positiven Machtbegriff - positiv als Zugangs- und Kontrollrecht über Ressourcen sowie als Entscheidungs- und Gestaltungsmöglichkeit im öffentlichen Raum (Politik, Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft etc.) und im privaten Bereich. Demokratie beinhaltet die Anerkennung von gleichen Rechten für Verschiedene, ist durch Offenheit gekennzeichnet und vermeidet eine Homogenisierung innerhalb der Gruppe der Frauen als auch jener der Männer.
(Vgl. Geschlechterdemokratie – ein neues feministisches Leitbild? Femina politica – Zeitschrift für feministische Politik-Wissenschaft. Heft 2/2002)

Wir fordern vom Land Oberösterreich:

  • Landeskulturbeirat

    Im Sinne von Gender Mainstreaming fordern wir die geschlechterparitätische Besetzung des oberösterreichischen Landeskulturbeirates inklusive der Fachbeiräte zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Jeder einzelne Fachbeirat ist paritätisch zu besetzen. Mitglieder des Landeskulturbeirats haben – sofern Sie nicht Bedienstete des Landes OÖ sind – für diesen Einsatz eine entsprechende Aufwandsentschädigung zu bekommen.

  • Vergabe von Preisen und Stipendien

    Mittelfristig ist mit einem Maßnahmen-Bündel zu erreichen, dass Preise und Stipendien des Landes OÖ geschlechterparitätisch vergeben werden:

    Wir fordern die geschlechterparitätische Besetzung von Jurys und Beiräten für die Vergabe von Landespreisen, Stipendien, Atelierförderungen und Talentförderungen des Landes Oberösterreichs. Über die Besetzung von Jurys ist öffentlich (z.B. im Landeskulturbericht) vor einer Entscheidung zu informieren. Insbesondere der Landeskulturbeirat und die Interessensvertretungen der Kulturschaffenden, sowie die Vernetzungsstelle für Frauen in Kunst und Kultur sind einzubeziehen und haben das Recht, Stellung zu nehmen. Die Ausschreibung hat so zu erfolgen, dass sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wird.
    Der Ausschreibungstext hat so formuliert zu sein, dass Frauen explizit eingeladen sind, sich zu bewerben.

    Im speziellen Fall der Talentförderung und bei Stipendien ist die Altersbegrenzung abzuschaffen.
    Der Begriff "Junge KünstlerIn" ist irreführend, da viele KünstlerInnen erst in späteren Jahren mit einer künstlerischen Tätigkeit beginnen oder die Phase ihres Schaffens durch "Kinderzeiten" unterbrochen ist.

    Auf der Ebene der Herstellung von Parität im Landeskulturbeirat und bei Jurys usw. sind MigrantInnen in der Höhe ihres Bevölkerungsanteils zu berücksichtigen. Auch hier sind Frauen im gleichen Maße wie die Männer einzubinden.

    Auch andere Gremien des Landes OÖ. im Kunst- und Kulturbereich z.B. Beiräte, Aufsichtsräte sind paritätisch zu besetzen, auch wenn es sich um ausgegliederte Einrichtungen handelt und auch wenn diese nur für eine gewisse Zeitphase eingerichtet werden.

  • Personalpolitik des Landes OÖ

    In der gesamten Landeskulturverwaltung, in den ausgegliederten Kultureinrichtungen des Landes Oberösterreich (Landestheater, OK, Landesmuseum, Musikschulwerk, etc.) und in allen kommunalen Kulturinstitutionen ist eine Erhöhung des Frauenanteils besonders in den Führungspositionen anzustreben. In jeder Ausschreibung ist darauf hinzuweisen, dass bei gleicher Qualifikation Frauen bevorzugt einzustellen sind.
    Im wieder einzuführenden Landeskulturbericht sind die Zahlen der MitarbeiterInnen aufgeschlüsselt nach Dienstgrad und Geschlecht öffentlich zu publizieren.

    Die in landesnahen und kommunalen Einrichtungen immer umfassender werdenden Beschäftigungen auf der Basis von Werk- oder freien Dienstverträgen sind einzuschränken. MitarbeiterInnen sind fixe Arbeitsplätze anzubieten.

  • Landtag

    Im Landtag ist ein ständiger Kulturausschuss einzurichten, dessen Sitzungen und Protokolle öffentlich zugänglich sind. Um zu erreichen, dass im Landtag und seinen Ausschüssen Geschlechterparität hergestellt wird, ist eine Bindung der Parteienförderung an die Zahl der Frauenmandate (Abstriche beim Finanziellen, wenn zuwenig Frauen vertreten sind) notwendig.

  • Programmgestaltung

    Durch bewusste Frauenförderung ist mittelfristig zu erreichen, dass alle kulturellen Einrichtungen des Landes Oberösterreich und die Organisationen, die für kulturelle Aktivitäten vom Land Oberösterreich Subventionen erhalten, aufgefordert werden ihr Programm geschlechterparitätisch zu gestalten.
    Bei Landeseinrichtungen ist ein gender-sensibles Projektmanagement einzuführen und umzusetzen. Freie Einrichtungen und Initiativen werden durch gezielte Maßnahmen zu einer ebensolchen Programmgestaltung animiert.
    Geschlechterparität hat auch in der Gestaltung der Kulturmedien und der Öffentlichkeitsarbeit der kulturellen Einrichtungen sichtbar zu werden.

  • Subventionen

    Bei der Antragsstellung von Subventionen ist die Geschlechterparität zu thematisieren. Bei der Abrechnung ist darzustellen, wie viele Frauen und wie viele Männer und in welchen Rollen diese an einer künstlerischen Aktivität beteiligt waren. (KünstlerIn, KuratorIn, Organisation, Hilfskräfte, ...)

  • Berichtswesen

    Der im Landeskulturförderungsgesetz vorgesehene öffentlich zugängliche Kultur-Förderbericht des Landes ist wieder einzuführen.
    Dieser hat nachvollziehbar und international vergleichbar darzustellen, wie die Steuergelder in der Kultur verwendet werden. Dabei ist eine geschlechtsgetrennte Statistik – im Sinne des Gender Mainstreaming - zu führen.

    Die Landeskulturdirektion ist aufgefordert regelmäßig über die Fortschritte des Gender Mainstreamings und die in diesem Rahmen gesetzten Maßnahmen öffentlich zu berichten.

  • Kulturdokumentation, Kulturelles Erbe

    Bei der Dokumentation des kulturellen Lebens in Oberösterreich sind die Frauen gleichberechtigt zu berücksichtigen. Auch bei der Aufarbeitung der kulturellen Vergangenheit ist ein besonderes Augenmerk auf die Leistungen der Frauen zu legen. Es gilt diesen Frauen ein Podium zu geben - sei es durch Ausstellungen, wissenschaftliche Arbeiten, Dokumentationen - aber auch durch deren Würdigung im öffentlichen Raum. (Gedenktafeln, Benennungen von Straßen und Plätzen)

  • Kulturelle Großereignisse

    Um Geschlechterparität zu schaffen, sind die zahlreichen kulturellen Großereignisse im Land Oberösterreich (Landesausstellungen, Festival der Regionen, Brucknerfest, Ars Electronica, ...) künftig gender-sensibel zu planen und auszurichten.
    Um den diesbezüglich besonders augenfälligen Diskrepanzen entgegenzuwirken, ist alle zwei Jahre ein anderes etabliertes kulturelles Großereignis eigens zu einem Frauenschwerpunkt durchzuführen.
    Ansonsten haben finanzielle Mittel in ähnlicher Höhe eigenen Frauenkulturprojekten zu Gute zu kommen.

  • Förderung für Kinderbetreuung

    Das Land Land OÖ richtet einen eigenen Fördertopf ein, der dazu dient, während Kulturveranstaltungen, Seminaren, Workshops, etc., Kinderbetreuung anzubieten (das betrifft vor allem tagsüber stattfindende Veranstaltungen). Längerfristig sollten Kinderbetreuungskosten in den laufenden Budgets der Kulturinitiativen und -projekte verankert werden, die Budgets sind um diesen Betrag zu erhöhen.
    Geschlechtersensible Kinderkultur ist verstärkt anzubieten.
    Generell ist das Angebot an qualitativ hochwertigen Kinderbetreuungseinrichtungen für alle Altersstufen insbesondere im ländlichen Raum auszubauen.

  • Bildungsangebote für Kunst- und Kultur

    Bei bestehenden und bei der Entwicklung von Bildungs-, Ausbildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen für Kulturarbeiterinnen und Künstlerinnen sind frauenspezifische Aspekte inhaltlich und organisatorisch zu berücksichtigen. Grundlagen feministischer Theorie sollten in jedem umfassenden Bildungsprogramm Teil der Ausbildung sein, genderspezifische Weiterbildungsangebote sind besonders zu fördern.
    Die öffentliche Hand hat besonders solche Bildungsmaßnahmen zu unterstützen und Strukturen zu schaffen, die neue Angebote ermöglichen.

    Es ist zu berücksichtigen, dass Frauen zumeist diejenigen sind, die finanziell schlechter gestellt sind, daher ist es notwendig, Ausbildungen und Weiterbildungen im Kunst– und Kulturbereich anzubieten, die auch leistbar sind. Der Erhalt und der Ausbau des OÖ. Bildungskontos ist darum unumgänglich.
    Kontraproduktiv wirken Studiengebühren an den (Kunst-)Universitäten.

  • Ehrenamt

    Auch im Kulturbereich sind überdurchschnittlich viele Frauen ehrenamtlich tätig. MitarbeiterInnen, die ihre Arbeitsleistungen kostenlos zur Verfügung stellen, gilt es durch gezielte Weiterbildungsangebote und Maßnahmen zur Zertifizierung von ehrenamtlich erworbenen Qualifikationen zu fördern.
    Aufbauend auf dem Modell der Bildungskarenz ist ein Jahr der "Kulturkarenz" einzurichten, das Land OÖ ist aufgefordert sich gegenüber AMS und Bund dafür einzusetzen. Dieses Jahr ermöglicht es Interessierten mit einer finanziellen Grundsicherung direkt und umfassender an der Kulturarbeit zu partizipieren, als es neben einem Vollzeitjob machbar ist. Bildungs- und Kulturkarenz sind neben den bestehenden Sicherheiten auch für die Pension anrechenbar und der Betrag der Absicherung ist mindestens auf den Ausgleichszulagenrichtsatz zu erhöhen.

  • Vernetzung

    Damit FIFTITU%, die Vernetzungsstelle für Frauen in Kunst und Kultur in Oberösterreich ihre Aufgaben und die Anforderungen, die an sie gestellt werden, erfüllen kann, ist eine mittelfristige Finanzierungszusage vom Land Oberösterreich unumgänglich. Es geht um die Absicherung und Erweiterung des Service- und Informationsangebotes für kulturschaffende Frauen und um kulturelle Projekte, die einen wichtigen Beitrag für Geschlechterparität leisten. Es bedarf vor allem der finanziellen Sicherstellung einer regelmäßigen Bürostruktur mit zumindest einer fix Angestellten.

  • Landeskulturförderungsgesetz

    Die oben genannten Bereiche sind - soweit rechtlich möglich, verbindlich im OÖ. Landeskulturförderungsgesetz zu verankern.

  • Frauenvolksbegehren

    Im übrigen fordern wir die sofortige Umsetzung aller Punkte des von über 600.000 ÖsterreicherInnen unterschriebenen Frauenvolksbegehrens. Insbesondere fordern wir einen Mindestlohn von EUR 1200.- brutto (Anpassung der Forderung des Frauenvolksbegehrens an den Verbraucherpreisindex, für einen Vollzeitarbeitsplatz, Stand 8/ 2003). Gerade im Kulturbereich würde dieser Mindestlohn vielen Frauen zugute kommen. Die öffentlichen SubventionsgeberInnen haben zu gewährleisten, dass diese Ausgaben in Kultureinrichtungen auch budgetär sichergestellt sind.